Walter Sintenis: Büste Gustav Hartmann


Walter Sintenis wurde 1867 in Zittau geboren. Er studierte an der Dresdener Kunstakademie bei Robert Diez. Später ging er nach Brüssel, um bei Constantin Meunier und Jules Lagae zu studieren. Nach seiner Zeit in Brüssel kehrte er nach Dresden zurück und war freischaffender Bildhauer, Maler und Medailleur. Er war Mitglied der Künstlervereinigung Dresden. Walter Sintenis starb 1911 in Dresden und wurde auf dem Alten Annenfriedhof beigesetzt.


 

Büste Gustav Hartmann

 

Büste Gustav Hartmann; Gipsmodell im Kunstgussmuseum Lauchhammer

 

Die Büste von Gustav Hartmann wurde laut den Angaben im Lauchhammer Bildguss Katalog im Jahre 1911 viermal gegossen. Es wurde ein Abguss nach Petersburg, einer nach Chemnitz, einer nach Dresden geliefert und einer war für Lauchhammer bestimmt. Diese Orte sind alle mit dem Leben Hartmanns verbunden. Er war Chemnitzer Bürger und Eigentümer eines der größten Industrieunternehmens Sachsens, wohnte in Dresden, pflegte Geschäftsbeziehungen nach Sankt Petersburg und war im Aufsichtsrat der AG Lauchhammer. So ist es wahrscheinlich, dass die Büsten als Ausstattung für die Firmen bzw. Dependancen gedacht waren, um den verdienstvollen und engagierten Mann und Unternehmer zu ehren.

Walter Sintenis schuf eine Büste, die sehr modern angelegt ist. Der unregelmäßige Sockel mit der Unterschrift Hartmanns (wahrscheinlich) in einem kleinen vertieften rechteckigen Feld und annähernd runder Standfläche verjüngt sich etwas, um auf der Vorderseite in den Kragen des Anzuges Hartmanns überzugehen. Von der Seite gesehen ist der Sockel als Bogen ausgearbeitet und ist somit auf das Minimum an Form und Material ausgelegt, welches nötig ist, um die Plastik im Gleichgewicht zu halten. Hartmann trägt unter dem so angeschnittenen Anzug ein Hemd mit Smokingkragen und Krawatte in der Mode der Zeit. Ein sehr sympathischer Mensch, freundlich und offen, blickt den Betrachter an. Doch zieht er die Augenbrauen etwas sorgenvoll nach oben, sodass man diesem Menschen seine Erfahrung ansieht. Es scheint, man kann leicht mit ihm in Kontakt treten. Er würde sein Gegenüber nicht zurückweisen, sondern ihm auf Augenhöhe und mit Verständnis begegnen. Gustav Hartmann wirkt wie ein Mensch, der Vertrauen hatte und auch Vertrauen ausstrahlte. Er ist wie ein guter Freund, der nicht aus dem letzten Jahrhundert stammt, sondern uns jederzeit auch im Hier und Jetzt begegnen könnte – und es würde ein positives Treffen sein. Sein Alter verbirgt der Bildhauer nicht. Gustav Hartmann ist nicht idealisiert, sondern sehr lebensnah und lebendig gestaltet. Die hohe Stirn, der Schnauzer und die Tränensäcke unter den Augen lassen auf ein fortgeschrittenes Alter schließen.

 

Büste Gustav-Hartmann von der Seite; Gipsmodell im Kunstgussmuseum Lauchhammer

 

Insgesamt hat die Büste eine sehr großzügige Oberflächenstruktur und eine moderne Gesamtgestaltung. Walter Sintenis schuf ebenfalls im Jahre 1911 eine Plakette, auf der Hartmann im Profil zu sehen ist. Möglicherweise wurde diese Plakette nach dem Tod von Gustav Hartmann gestaltet. Ein Abguss in Zinn befindet sich in der Skulpturensammlung in Dresden. Ob die Büste noch zu Lebzeiten Hartmanns entstanden ist, lässt sich nur anhand der wirklich lebensnahen Gestaltung ahnen. Plakette und Büste sind ein Spätwerk des Bildhauers. Der Zeitpunkt des Gusses der Büsten in der Kunstgießerei Lauchhammer ist für das Jahr 1911 angegeben, also nach dem Tod Hartmanns. Sintenis verstarb nur ein Jahr nach Gustav Hartmann. Der Verbleib der Büsten ist unklar, wie auch das Material, in welchem sie gegossen wurden. Dazu gibt es keine näheren Angaben.


Gustav Hartmann

Gustav Hartmann wurde am 10. Juni 1842 in Chemnitz geboren und starb am 20. Oktober 1910 in Schäftlarn. Er war der Sohn des Chemnitzer Fabrikanten Richard Hartmann. Schon früh erkannte man sein unternehmerisches Talent und so begann er seine erfolgreiche Karriere mit einer kaufmännischen Ausbildung in Hamburg. 1865 trat er in das Unternehmen seines Vaters ein und übernahm sehr bald verantwortungsvolle Aufgaben, wie z. B. bereits während seiner Lehrzeit die Vertretung der Firma auf der Londoner Weltausstellung von 1862 und dann auf der Pariser Weltausstellung von 1867. Im gleichen Jahr wurde er Teilhaber des väterlichen Unternehmens. Später wandelte man die Firma in eine Aktiengesellschaft um und Gustav Hartmann wurde Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsrates. Die „Sächsische Maschinen AG“ war um 1880 der größte Industriebetrieb Sachsens und produzierte Dampfmaschinen, Webstühle, Lokomotiven, Spinnereimaschinen und Turbinen. 1896 expandierte Gustav Hartmann und baute in Lugansk die „Russische Maschinenbaugesellschaft“ auf. Gustav Hartmann verband eine familiäre und auch freundschaftliche Beziehung mit Alfred Krupp. Er beriet ihn in geschäftlichen Angelegenheiten. 1903 war Hartmann auch im Aufsichtsrat der Krupp AG. Weiterhin war er Mitglied des Aufsichtsrates der Dresdner Bank.

Gustav Hartmann war maßgeblich an der Sanierung und Neuorganisation der in finanzielle Schieflage geratenen AG Lauchhammer beteiligt. Er baute gemeinsam mit Joseph August Hallbauer ein florierendes Unternehmen auf, indem er seine Verbindungen und Erfahrungen als Unternehmer, Manager, Banker und Kaufmann effektiv nutzte. Seit 1883 hatte er den Vorsitz des Aufsichtsrates der AG Lauchhammer.

Seit 1881 wohnte er in Dresden-Laubegast in der Villa, die sein Vater als Sommersitz erbauen ließ.  


Antje Bräuer