Robert Toberentz, Cuno von Uechtritz-Steinkirch, Kretzschmer:
22 Medaillons für die Schlosskirche in Wittenberg
Robert Toberentz wurde 1849 in Berlin geboren. Er studierte von 1867 bis 1869 an der Berliner Kunstakademie und ging danach zwei Jahre zu Johannes Schilling nach Dresden. Von 1872 bis 1875 hielt Toberentz sich in Rom auf, wo er mehr und mehr zum realistischen Stil fand. 1879 bis 1885 war er Leiter des Meisterateliers Bildhauerei am Schlesischen Museum der Bildenden Künste in Breslau. 1895 wurde er in Berlin zum Professor ernannt. Robert Toberentz starb 1895 in Rostock.
Cuno von Uechtritz-Steinkirch wurde 1856 in Breslau geboren. Er war der Sohn des Staatsanwalts und späteren Kammergerichtsrats Oswald von Uechtritz. Nach einer Studienreise in Italien 1878-1879 wurde Cuno von Uechtritz Schüler von Carl Friedrich Echtermeier in Dresden. Ernst Hähnel, Professor an der Dresdener Kunstakademie, wurde auf ihn aufmerksam und nahm ihn als Schüler zu sich. Uechtritz studierte außerdem an der Wiener Akademie bei Victor Tilgner, bei dem er seine bildhauerische Ausbildung mit dem Studium der polychromen Behandlung von Plastiken ergänzte. Weitere Studienreisen führten ihn nach Italien und Paris, danach blieb er noch einige Zeit bei Tilgner in Wien, um sich dann 1887 in Berlin ein eigenes Atelier einzurichten. Er hatte ein großes Talent für erzählerische, leichte Kompositionen, welches besonders bei seinen Entwürfen für Brunnen zum Ausdruck kam. 1899 erhielt er einen Professorentitel.
Uechtritz engagierte sich in Verbänden für die Interessen der Künstler und setzte sich für die Vermittlung der deutschen Kunst in Amerika ein. 1908 starb Cuno von Uechtritz-Steinkirch in Berlin.
Zu einem Bildhauer mit dem Namen Kretzschmer konnten keine Lebensdaten gefunden werden.
22 Medaillons für die Schlosskirche Wittenberg
Der Guss von 22 Medaillons für die Schlosskirche zu Wittenberg und von zwei Schrifttafeln ist im Lauchhammer-Bildguss-Katalog für das Jahr 1824 angegeben. Das Entstehungsjahr ist anzuzweifeln, es kann nicht richtig sein, da die Medaillons eindeutig für die Neugestaltung der Schlosskirche in den Jahren 1885 bis 1892 in Auftrag gegeben wurden. Im Werkverzeichnis von Cuno von Uechtritz ist die Gestaltung von Medaillons für die Schlosskirche in Wittenberg für 1891 festgehalten. So kann man annehmen, dass auch Toberentz und Kretzschmer etwa zur gleichen Zeit an den Modellen gearbeitet haben. Der Guss kann im selben oder im folgenden Jahr stattgefunden haben.
Die Bronzemedaillons befinden sich in den Zwickeln der Bögen, welche die Empore tragen. Über ihnen ist die Emporenbrüstung mit Wappen verschiedener Adelshäuser – aus Kalkstein und farbig gefasst – geschmückt. Darunter, an den Pfeilern, befinden sich die Statuen bedeutender Theologen – ebenfalls aus Kalkstein. Alle diese Darstellungen ehren Luther und Anhänger seiner Lehre – Unterstützer, Gleichgesinnte, Philosophen, Fürsten, Adlige und Künstler reihen sich prominent aneinander. Sie bekannten sich zur Reformation und verbreiteten die Idee in ihrer Heimat. Alle Gestaltungselemente feiern die Schlosskirche als „Ruhmeshalle der Reformation“.
Bis auf zwei Medaillons an der Westempore haben alle anderen zwanzig den gleichen Durchmesser. Die Profilbilder der Schweizer Reformatoren Ulrich Zwingli und Johannes Calvin sind etwas größer. Nach historischen Vorlagen schufen die drei von Friedrich Adler in „Die Schlosskirche in Wittenberg“, Berlin 1895, benannten Künstler Porträts, welche in einem runden profilierten Rahmen als Flachrelief gearbeitet sind. Das Rahmenprofil wird durch ein kronenartig gearbeitetes Ornament bereichert. Halbkreisförmige kleine Bögen sind symmetrisch im Rund angeordnet. Die Spitzen enden mit Kugeln, 14 Stück an der Zahl, welche über den Rahmen hinausragen.
Auf der Südseite befinden sich die drei sächsischen Kurfürsten Friedrich der Weise, Johann der Beständige und Johann Friedrich der Großmütige. Es folgen Wolfgang von Anhalt, Johannes von Staupitz, Paul Speratus, Johannes Matthesius, Heinrich von Zuetphen, Johann Hus und Girolamo Savonarola. Gegenüber auf der Nordseite befinden sich die Profile von Kurfürst Joachim II. von Brandenburg, Herzog Albrecht von Preußen, Landgraf Philipp von Hessen, Herzog Ernst von Braunschweig und Lüneburg, Lucas Cranach, Albrecht Dürer, Hans Sachs, Martin Bucer, Petrus Waldus und Johann Wiclif. Auf den Medaillons befinden sich auch die Namen der dargestellten Personen, jedoch teilweise in Abweichung zur heutigen Schreibweise. Für die Darstellung des Petrus Waldes gab es keine historische Vorlage. Hier war die Phantasie des Bildhauers gefragt.
Medaillons mit Johann Hus und Girolamo Savonarola; Foto: Siegfried Bräuer
Medaillons mit Albrecht Dürer und Lucas Cranach; Foto: Siegfried Bräuer
Eine genaue Zuordnung, welcher Bildhauer welches Relief geschaffen hat, ist nicht möglich. Kleine gestalterische Unterschiede in der Oberfläche oder ein lockerer Umgang mit der Linie ist bei genauer Betrachtung zu erahnen. Besonders wird der Unterschied in der Modellierung von Haar, Bart und Spitzenkragen deutlich. Eine Signatur ist auf dem Medaillon von Hans Sachs zu ahnen, jedoch nicht deutlich. Vermutlich haben sich von Uechtritz und Toberentz den Auftrag geteilt. Kretzschmer ist als Bildhauer nirgends erwähnt, deshalb könnte er Modellbauer gewesen sein und die Medaillons gefertigt haben, nicht aber die aufmodellierten Porträts. Im Turm der Schlosskirche, auf dem Weg zur Turmspitze, befindet sich ein Raum mit Gipsmodellen aus der Zeit des Umbaus. Darunter sind auch vier Modelle der Medaillons. Sie sind teilweise beschädigt, aber in gutem Zustand. Wahrscheinlich handelt es sich hier nicht um die originalen Gussmodelle, sondern vielmehr um Ideenskizzen der Bildhauer zur Gestaltung von Größe, Rahmen, Schrift und Patina zur Vorlage beim Bauherrn, denn es wurden mehrere Arten von Schrift, erhaben oder vertieft, Rahmenvarianten und Farbfassungen probiert. Die dargestellten Porträts von Joachim II. von Brandenburg und Friedrich dem Weisen sind nicht identisch mit dem endgültigen Gussstück.
Gipsmodell des Medaillons mit Joachim II. von Brandenburg; Foto: Siegfried Bräuer
In der Festzeitung des „Wittenberger Tageblattes“ vom 31. Oktober 1892 und ebenfalls erwähnt in der Veröffentlichung von Friedrich Adler, findet sich noch folgende Anmerkung: „Der Lauchhammer hat die Eisenkonstruktion zur Thurmkuppel- und Spitze, die Bronzemedaillons und Platten in der Kirche gegossen.“ Die Platten sind auch im Lauchhammer-Bildguss-Katalog als „Schrifttafeln“ erwähnt. Leider lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, welche Platten gemeint sind und wo sie ihren Platz fanden.
Die Schlosskirche Wittenberg
Die Ursprünge des Bauwerks gehen ins Jahr 1340 zurück, als Herzog Rudolf I. eine Kapelle für die askanischen Herzöge erbauen ließ. Kurfürst Friedrich der Weise ließ an gleicher Stelle von 1489 bis 1509 ein Residenzschloss mit der zugehörigen Schlosskirche erbauen. Im Jahre 1517 schlug Martin Luther hier seine 95 Thesen an. Zu dieser Zeit war Wittenberg ein Zentrum der Bildung und die 1507 gegründete Leucorea zog namhafte Wissenschaftler und Denker, Herrscher und Künstler der Zeit an, sowie viele wissensdurstige Studenten. Die Schlosskirche wurde Grabstätte von Persönlichkeiten wie Luther, Melanchthon und vielen mehr. Im Siebenjährigen Krieg brannte die Kirche aus. Viele unersetzbare Kunstschätze wurden Opfer des Feuers. 1770 wurde die wieder aufgebaute Kirche geweiht. 1815, nach dem Wiener Kongress, kam Wittenberg zu Preußen. 1858 wird die „Thesentür“ – ursprünglich aus Holz und verloren – vom Berliner Erzgießer L. Friebel 1855 in Bronze gegossen und eingesetzt. Das Modell lieferte Friedrich Drake, gestiftet hatte sie König Friedrich Wilhelm IV. Während der Befreiungskriege erlitt die Kirche nochmals bauliche Schäden. Von 1885 bis 1892 wurden Kirche und Turm unter der Leitung von Friedrich Adler im neogotischen Stil zu einem „Denkmal der Reformation“ umgebaut. Die Einweihung fand mit einem historischen Festzug am 31. Oktober 1892 in Anwesenheit des Kaisers Wilhelm I. statt. Seit 1996 gehört die Kirche zum Unesco-Weltkulturerbe.
Innenansicht der Wittenberger Schlosskirche von West nach Ost; Foto: Antje Bräuer
Antje Bräuer