Georg Kolbe: „Hüterin“ und „Junges Weib“


 

Georg Kolbe wurde am 15. April 1877 in Waldheim geboren. Er studierte an der Kunstgewerbeschule in Dresden und an der Kunstakademie München Malerei. Erst nach dem Studium, in Rom, begann Kolbe mit der Unterstützung von Louis Tuaillons mit ersten bildhauerischen Arbeiten. Seit 1904 wohnte Kolbe in Berlin. Nach einigen schwierigen Jahren gelang 1910 mit der „Tänzerin“ der Durchbruch. Ab den 20er Jahren kann er als der erfolgreichste Bildhauer Deutschlands bezeichnet werden. Als 1927 seine Frau den Freitod wählte, versuchte Kolbe diesen Schicksalsschlag auf künstlerische Weise zu verarbeiten. 1932 reiste Kolbe nach Moskau. Diese Erfahrung machte einen bleibenden Eindruck auf ihn. Bereits während der Weimarer Republik galt Kolbe als links-liberal. Dennoch blieb er als Künstler unpolitisch bzw. nicht politisch motiviert. Von der aktiven Teilnahme an den beiden Weltkriegen wurde Kolbe jeweils freigestellt.

Kolbes Arbeiten wurden während des NS-Regimes teilweise aus dem öffentlichen Raum entfernt. Wesentlich weniger bekannte Bildhauer wurden ihm vorgezogen. Dennoch nahm er von 1937 bis 1944 regelmäßig an den Großen Deutschen Kunstausstellungen im Haus der Kunst in München teil. Seine Käufer fanden sich in der bürgerlichen Schicht, die die Ästhetik Kolbes Figuren liebten. Künstler wie Kunstliebhaber flüchteten sich mit Hilfe der Schönheit der Kunst aus der Realität.

Kolbe starb am 20. November 1947 in Berlin. Er ist auf dem Friedhof Heerstraße in Berlin West-End begraben. In seinem Wohnhaus und Atelier befindet sich nach Kolbes testamentarischer Verfügung heute das Georg-Kolbe-Museum.


 

„Hüterin“ und „Junges Weib“

Seit etwa 1915 begann Kolbe hauptsächlich Akte von Frauen zu modellieren. Seine bewegten Figuren erregten bei Ausstellungen Aufmerksamkeit. Höhepunkt war 1910 der Ankauf der „Tänzerin“ durch die Berliner Nationalgalerie. Deutlich sieht man hier noch die Begeisterung Kolbes für das Werk Rodins. Ab ca. 1927, nach dem Tod seiner Frau, verschwand die Leichtigkeit, er stellte die Frauen nun ruhig, stehend und in harmonischen Proportionen dar. Hinzu kamen nun mehr und mehr kraftvolle, muskulöse Männerfiguren. Kolbe wurde durch diesen Wechsel zum idealistischen Stil eine Anpassung an den nationalsozialistischen Stil nachgesagt. Betrachtet man aber diese Wandlung im Zusammenhang mit seinem persönlichen Schicksal, so ist diese Ansicht nicht belegbar.

Auch bei den beiden Frauenfiguren „Hüterin“ und „Junges Weib“ könnte eine solche Interpretation nahe liegen. Die Darstellung junger schöner Menschen als Helden und Idealbilder passten hervorragend zur Propaganda des NS-Regimes. Kolbes Ideal war „verwendbar“.

Viele, der im Georg-Kolbe-Museum inventarisierten Skizzen zeigen möglicherweise Vorstudien zu den Plastiken. Die Haltungen der beiden Figuren sind bereits viele Jahre vor der eigentlichen Entstehung der großen Plastiken wieder und wieder von Kolbe skizziert worden. Die Zeichnungen dokumentieren Kolbes Konzentration auf die menschliche Figur von Beginn seiner Laufbahn an.

Die „Hüterin“, von Kolbe 1938 geschaffen, wurde 1939 auf der Großen Deutschen Kunstausstellung gezeigt. Reichserziehungsminister Bernhard Rust erwarb sie für 16200 RM. Das „Junge Weib“, ebenfalls 1938 geschaffen und auf der Kunstausstellung gezeigt, wurde von Adolf Hitler direkt vom Künstler ebenfalls für 16200 RM gekauft.

Beide Plastiken sind 210 cm hoch und in Bronze hohl gegossen. Der Guss stammt in beiden Fällen von der Gießerei Noack Berlin. Das Gusszeichen befindet sich auf der Plinte. Bei einer Auktion 2013 in München kam eine kleine Ausführung des „Jungen Weibes“ in der Größe von 94 cm in Bronze auf den Kunstmarkt. Der Guss wurde ebenfalls in der Gießerei Noack Berlin Friedenau ausgeführt und gilt als einziger bekannter Abguss der Plastik zu Lebzeiten des Künstlers.

Modell ist wahrscheinlich Evelyn Künnecke (1921-2001) gewesen. Sie war Stepptänzerin, Aktfoto-modell, Sängerin und Schauspielerin.

Sowohl die „Hüterin“ als auch das „Junge Weib“ waren für den „Ring der Statuen“ im Rothschild-Park in Frankfurt/Main gedacht. Kolbe selbst konnte das Werk, welches 4 Frauenplastiken und 3 Männerplastiken umfasst, nicht selbst vollenden. Die begehbare Anlage, 7 Figuren im Kreis angeordnet und voneinander durch jeweils 2 dunkle Marmorstelen getrennt, wurde erst 1954 aufgestellt.


 

Die beiden Figuren im Kunstgussmuseum, ehemals erworben von Adolf Hitler und Bernhard Rust, wahrscheinlich für staatliche Zwecke und nicht als Privateigentum, gingen 1945 in Volkseigentum über. Sie standen auf der Museumsinsel in Berlin. Die Nationalgalerie führte sie als „Überweisung vom Magistrat von Groß-Berlin 1952“.  Am 3.10. 1990 gingen sie laut Einigungsvertrag in Bundesvermögen über. Seit 2010 befinden sie sich im Kunstgussmuseum in Lauchhammer als Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland.

 

„Hüterin“ und „Junges Weib“ im Kunstgussmuseum Lauchhammer; Foto: Stiftung Kunstgussmuseum Lauchhammer

 

Antje Bräuer