Nicola Vösgen

Gerhard Janensch: Mann am Martinofen

Gerhard Janensch wurde am 23. April 1860 in Zamborst bei Neustettin geboren. Nach dem frühen Tod seines Vaters zog seine Mutter 1863 mit ihren fünf Kindern zunächst nach Müncheberg und 1872 nach Berlin, wo Janensch das Luisenstädtische Realgymnasium und anschließend die Königliche Kunstakademie besuchte. Hier war er Schüler der zu dieser Zeit bereits bedeutenden Berliner Bildhauer Fritz Schaper (1841-1919) und Albert Wolff (1814-1892). Zur weiteren Ausbildung ging er 1880 nach Wien, kehrte jedoch bereits im Sommer 1881 zurück in das Schaper´sche Atelier. Seine erste größere Arbeit war eine lebensgroße Gruppe „Bacchant mit Panthern“, die 1883 auf der Berliner Akademieausstellung zu sehen war. Für diese Arbeit wurde er mit dem Romstipendium ausgezeichnet.

Nach seinem Romaufenthalt eröffnete Janensch 1886 ein eigenes Atelier in Berlin und führte in den Folgejahren v.a. Auftragsarbeiten, insbesondere zahlreiche Portraitbüsten, aber auch Bauplastik und Denkmäler aus. Er wurde im Wintersemester 1887/1888 Hilfslehrer an der Königlichen Akademie der Künste, übernahm 1892 die Leitung der Modellierklasse und wurde 1896 zum Professor ernannt. Janensch starb am 2. Februar 1933 und wurde auf dem Friedhof in Berlin-Wilmersdorf beigesetzt.


Arbeiterplastiken von Gerhard Janensch

Eine der ersten Arbeiten aus dem Bereich der Arbeiterplastik war die lebensgroße Darstellung eines „Schmieds“, das bronzierte Gipsmodell war 1897 auf der Großen Berliner Kunstausstellung ausgestellt. Den in der Gießerei Gladenbeck ausgeführten lebensgroßen Bronzeguss erwarb der Mäzen von Gerhard Janensch, der erfolgreiche Berliner Unternehmer Robert Stock. Dieser Schmied steht heute auf dem Grab von R. Stock auf dem Luisenstädtischen Friedhof in Berlin-Kreuzberg.

Erst 20 Jahre später hat sich Janensch dem Thema der Arbeiter erneut zugewandt: Für die Gießerei Lauchhammer schuf er in den Jahren 1916 bis 1929 insgesamt acht Darstellungen von Industriearbeitern.

 

Der Mann am Martinofen

Am 20. Januar 1916 kaufte die Gießerei die ersten dieser Modelle an, darunter auch den „Mann am Martinofen“ in der Größe 86,5cm.

 

Abb. 2: Modell des „Mann am Martinofen“, 86,5cm, im KGML

(Foto: Tino Winkelmann, KGML, 2017)


Von dieser Figur, deren Modell mehrfach verkleinert wurde, haben sich im Kunstgussmuseum außergewöhnlich viele Modelle erhalten: jeweils drei Gips- und drei Metallmodelle in unterschiedlichen Größen. Weiterhin ein 28cm großer Eisenguss.

In den Bildguss-Katalogen der Gießerei wurde der „Mann am Martinofen“ von 1923 bis zum Ende der 1960er Jahre angeboten. Neben der Originalgröße von 86,5cm gab es auch Verkleinerungen auf 42cm und 28cm, die wahlweise in Eisen- oder Bronzeguss ausgeführt wurden. Gegen Ende der 1960er Jahre kam noch eine weitere Verkleinerung auf 13 cm hinzu.

Laut den Aufzeichnungen der Gießerei ist der „Mann am Martinofen“ insgesamt 732 Mal verkauft worden, wobei sich die Bronzeabgüsse in den beiden mittleren Größen von 42cm mit 334 Verkäufen und 29cm mit 198 Verkäufen der größten Beliebtheit erfreuten. Damit war dies die zweitbeliebteste der Janensch´schen Arbeiterplastiken, nur der „Gießer“ hatte noch höhere Verkaufszahlen. Abnehmer für diese Industriearbeiter waren v.a. eisen- und stahlverarbeitende Betriebe, die die Bronzen als Werbegeschenke oder Auszeichnung für besondere Verdienste erwarben bzw. verteilten. Besonders häufig ist beispielsweise die Werbeabteilung des Stahlwerks „Riesa“ in den Auftragslisten der Gießerei genannt.


Abb. 3: Modell des „Mann am Martinofen“, 86,5cm, in der Stadtmitte von Lauchhammer

(Foto: Tino Winkelmann, Lauchhammer, 2017)