Robert Henze: Germania
Robert Eduard Henze wurde am 8. Juli 1827 in Dresden geboren. Nach einer Lehre zum Schlosser begann er ab 1856 das Studium der Bildhauerei an der Kunstakademie in Dresden. Er war seit 1858 Schüler von Ernst Rietschel, später von Johannes Schilling und Ernst Hähnel. Nach einer einjährigen Studienreise nach Italien in den Jahren 1866 bis 1867 begann er seine bildhauerische Tätigkeit in Dresden. Bereits 1863 fiel seine Brunnenfigur Heinrichs I. für Meißen als besonders gut gelungene Arbeit auf. Viele weitere Arbeiten, vorrangig in Sachsen, folgten, darunter auch die Germania aus Marmor für das 1880 geschaffene Siegesdenkmal auf dem Dresdener Altmarkt. Auf seinem Entwurf beruht auch die vergoldete aus Kupfer getriebene Fama auf der Glaskuppel der Kunstakademie Dresden. Robert Henze starb am 3. April 1906 in Dresden und wurde auf dem Alten Annenfriedhof beerdigt. Das Grab ist erhalten, jedoch ohne die von Henze selbst geschaffene „Entschwebende Psyche“.
Germania
Am 10. Mai 1896 wurde die Germania „Modell Henze“ auf dem Markt in Bockwitz, dem späteren Denkmalsplatz, eingeweiht. Das war 25 Jahre nach dem Friedensvertrag in Frankfurt/Main, der den Deutsch-französischen Krieg von 1870/1871 beendete. Der Kriegerverein Bockwitz fasste 1895 den Plan, ein Denkmal für die Gefallenen der Kriege von 1864, 1866 und 1870/1871 aufzustellen. Die Kosten von etwa 3000 Mark wurden mit Spenden finanziert. Das Denkmal, entworfen von Robert Henze und in der Kunstgießerei in Lauchhammer in Eisen gegossen, wurde unter der Anleitung des Bildhauers Wächter aus Ruhland aufgestellt. Das eiserne Geländer fertigte Schlossermeister Holm aus Ruhland. Das Kriegerdenkmal wurde mit einem großen Festumzug, Zapfenstreich und einer fast endlosen Parade von insgesamt 27 Kriegervereinen aus der näheren und weiteren Umgebung feierlich eingeweiht. Weit über tausend Gäste waren am Festzug beteiligt. Den offiziellen Reden folgte ein großes Volksfest.
Bockwitz–Postamt mit Denkmalplatz, Historische Postkarte; Foto: Stiftung Kunstgussmuseum Lauchhammer, Archiv
Der Sockel des Denkmals wurde aus Sandstein aus Warthau bei Bunzlau gefertigt. Er war etwa 2,50 Meter hoch und hatte einen quadratischen Grundriss. Drei Stufen führten zu einem wiederum mehrfach gegliederten Podest. Auf jeder Seite des Podestes waren Widmungen, Zitate und Namen der Kaiser sowie von einem Gefallenen Musketier eingemeißelt. Die Inschriften wurden jeweils mit einem erhabenen Profil umrahmt. Über diesen Schriften, wovon mindestens die Schrift an der Vorderseite auf einer schwarzen eingelassenen Platte aus einem anderen Material gewesen zu sein scheint, war ein florales Relief eingearbeitet. Darüber verjüngt sich der Sockel in mehreren kleinen Absätzen bis zur runden Plinthe der Germania. Die Figur selbst ist 2,50 Meter hoch. Die Frauenfigur steht im Kontrapost, das rechte Bein ist das Spielbein, das linke Bein das Standbein. Der rechte Fuß ragt etwas über die Plinthe hinaus. Im rechten vorgestreckten Arm hält die Germania einen Lorbeerkranz. Mit dem linken Arm umfasst sie eine Fahne, deren Fahnenspitze vergoldet und versilbert war. Unterhalb der Spitze befindet sich ein Eisernes Kreuz als Fahnenschmuck. Die Germania ist mit einem mit Borten verzierten mehrlagigen und in Taillenhöhe gegürtetem Gewand bekleidet. Die Faltenwürfe des Gewandes und des Umhanges sind aufwändig ausgearbeitet. Unterhalb der Brust ist ein Adler als Flachrelief zu erkennen, sodass der Eindruck eines Harnischs entsteht. An ihrer linken Seite befindet sich ein Schwert. Der Kopf ist leicht nach unten geneigt, langes welliges Haar fällt über die Schultern bis auf den Rücken. Den Kopf ziert ein Kranz aus Eichenlaub und eine Bügelkrone, ähnlich der Kaiserkrone des deutschen Kaisers, mit einem Kreuz auf der Spitze. Der Blick der Germania ruht auf dem vor ihr stehenden Betrachter, dem sie wie segnend den Kranz entgegenstreckt. Insgesamt strahlt die Plastik Einheitlichkeit und Harmonie aus. Ihre Proportionen sind ausgewogen, sodass man beinahe von einer gefühlten Symmetrie sprechen könnte. Der Entwurf reiht sich in die Germaniafiguren des ausgehenden 19. Jahrhunderts ein. Ihnen ist eine heroische Ausstrahlung eigen. Sie wurden oft als Motiv für Kriegerdenkmale verwendet. Ein besonderer Höhepunkt dieser Denkmalsart ist das Niederwalddenkmal von Johannes Schilling, einem Lehrer von Henze. Es dürfte für viele Bildhauer beispielhaft gewesen sein.
In 1936/1937 wurde die Schrift am Sockel wieder vergoldet. Bis 1972/73 soll das Denkmal auf dem alten Kirchhof (Friedhof) in Lauchhammer-Mitte gestanden haben, um dann endgültig zu verschwinden. Nach nicht belegbaren Quellen soll die Figur durch die Feuerwehr Lauchhammer-Mitte im Kuhteich versenkt worden sein. Das berichtete ein beteiligter Feuerwehrmann aus Grünhaus. Andere sagen, dass die Germania bereits 1946 verschwand.
Der erste Abguss der Germania von Henze, gegossen 1884 in Lauchhammer in Eisen, befindet sich in Herzberg/Elster. Er wurde von Bürgern über die Zeit gerettet und war Grundlage des 1996 wiederhergestellten Denkmals für Lauchhammer. Die Herzberger Germania wurde 1994 in der Kunstgießerei restauriert, denn auch an ihr war die Zeit nicht spurlos vorüber gegangen. So stand sie schon viele Jahre kopflos, doch wurde der Kopf sorgfältig aufbewahrt. Zum 3. Gießereifest startete man in Lauchhammer einen Spendenaufruf. Die Kosten von 76.000 Deutschen Mark wurden von der Niederlausitzer Sparkasse, Marktkauf, TAKRAF, WEQUA, Kunstgießerei und Bürgern der Stadt aufgebracht. Der Nachguss hatte nicht nur Befürworter, doch genau 100 Jahre nach der Erstaufstellung, am 10. Mai 1996, wurde die neue Germania vorerst in der Wilhelm-Pieck-Straße eingeweiht. Die Umgestaltung des Heßmer-Platzes war noch nicht abgeschlossen. Seit dem 10. Juli 2000 steht die Germania von Lauchhammer wieder an ihrem angestammten Platz auf einem verglichen mit dem Original etwas vereinfachten Sockel aus Sandstein. Die Inschriften fehlen, auch auf die Vergoldungen, das schmiedeeiserne Gitter und die Bepflanzung wurde verzichtet. Ein schwarzer Lack schützt die Figur vor Korrosion. Die Figur ist 2,50 Meter hoch, wiegt 520 Kilogramm und wurde aus acht Teilen zusammengefügt. Der Nachguss weist die auffälligen Narben der fortgeschrittenen Korrosion des Ausgangsmodells auf. In einer Beschreibung der Einweihungsfeierlichkeiten von 1896, erschienen im Liebenwerdaer Kreisblatt am 12. Mai 1896, werden vergoldete Adler und Kreuzchen im Kranz der Germania erwähnt. Unklar ist, ob es sich dabei um den Lorbeerkranz in der Hand handelt, oder um den Kopfschmuck. Die jetzige Version hat weder in dem einen noch in dem anderen Kranz diese Verzierungen. Möglich wäre auch eine Verwechslung mit dem Kreuz an der Fahne und dem Adler auf dem Harnisch. Das wirft außerdem die Frage auf, ob die beiden Germaniafiguren tatsächlich im Ursprung identisch waren. Historische Bilder sind in der Reproduktion zu ungenau, um dies mit Sicherheit feststellen zu können. Auch lässt die Bezeichnung „Modell Henze“ die Vermutung entstehen, dass zwar nach dem Entwurf von Henze gearbeitet wurde, aber vielleicht angestellte Modelleure der Kunstgießerei kleinere Abweichungen einarbeiten durften. Vermutlich werden sich diese Fragen nicht eindeutig klären lassen. Klar ist jedoch, dass die Herzberger und die Lauchhammeraner Germania zum heutigen Zeitpunkt identisch sind.
Präsentation des Neugusses der Germania im ersten Kunstgussmuseum Lauchhammer, Grünhauser Straße;
Foto: Stiftung Kunstgussmuseum Lauchhammer, Archiv
Germania
Die Germania ist die nationale Personifikation Deutschlands. Im 19. Jahrhundert diente die weibliche Darstellung als nationalromantisches Sinnbild für den angestrebten deutschen Nationalstaat. Bereits in der römischen Antike wurde der Begriff Germania verwendet, um das Gebiet zu bezeichnen, in welchem sich die germanischen Stämme befanden. Auch hier wurde sinnbildlich eine Frau dargestellt (Quelle: Wikipedia. 08.11.2022)
Kuratorin Antje Bräuer