Robert Diez: Statuette Gänsedieb vom Gänsediebbrunnen


Robert Diez wurde am 20. April 1844 in Pößneck als Sohn des Bürgermeisters Emil Diez geboren. 1863 nahm er das Studium an der Dresdner Akademie auf, seit 1867 war er Schüler im Atelier von Johannes Schilling. 1869 debütierte er mit einer noch ganz in der Tradition des Klassizismus stehenden Gruppe „Venus tröstet Amor“. 1873 machte Diez sich selbständig. In den folgenden Jahren entstanden zahlreiche Arbeiten, v.a. Standbilder, Büsten und Grabdenkmale.

Im März 1881 erfolgte die Ernennung zum Ehrenmitglied an der Dresdner Akademie. Nachdem Ernst Hähnel 1891 gestorben war, wurde ihm das Meisteratelier für Plastik übertragen, im gleichen Jahr ist er zum Professor an der Kunstakademie ernannt worden. 1894 vollendete er sein bedeutendstes Werk, die beiden allegorischen Monumentalbrunnen für den Albertplatz in Dresden „Stürmische Wogen“ und „Ruhige Wellen“. Robert Diez verstarb am 07. Oktober 1922 in Dresden.


Der Gänsediebbrunnen von Robert Diez

Die Dresdner Hermann-Stiftung hatte 1875 eine Konkurrenz für eine Brunnenanlage ausgeschrieben. Von den 27 eingereichten Vorschlägen wurde der Entwurf von Robert Diez zur Ausführung vorgesehen. 1879 stellte er den „Gänsedieb“ auf der Internationalen Ausstellung in München aus, wo die Figur begeistert aufgenommen und mit der Großen Goldenen Medaille ausgezeichnet wurde. Laut zeitgenössischen Beschreibungen erregte die Darstellung des Gänsediebs „das größte Aufsehen … durch den bis an die äußerste Grenze der Möglichkeit getriebenen Realismus der Darstellungsweise, durch die Keckheit der plastischen Gestaltung und durch die Lebendigkeit der Bewegung.“

 

Abb. 1: zeitgenössische Abbildung des Gänsediebs

(Die Kunst für alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, 10.1894-1895, S. 128)

Von der Dresdner Gießerei C. Albert Bierling wurde der Gänsedieb überlebensgroß in Bronze gegossen und der Gänsediebbrunnen konnte am 20. April 1880 auf dem Ferdinandplatz in Dresden eingeweiht werden. Das 202cm große Gipsmodell erwarb die Dresdner Skulpturensammlung (im 2. WK zerstört). Der Brunnen hat den Zweiten Weltkrieg inmitten des völlig zerstörten Ferdinandplatzes weitgehend unbeschädigt überstanden. Seit 1961 steht er in der Weißen Gasse in der Dresdner Altstadt.

Mit diesem Werk war Diez einer der ersten deutschen Bildhauer, der den damals noch vorherrschenden Klassizismus hinter sich ließ und mit einer neuen realistischeren Darstellungsweise seinen Weltruhm begründete. Der Gänsedieb wurde in den folgenden Jahren auf zahlreichen Ausstellungen gezeigt und vielfach ausgezeichnet, beispielsweise 1888 auf der Weltausstellung in Melbourne (Erster Preis), in Wien (Große Goldene Medaille) und Antwerpen (Erster Preis).

Ein Abguss in der Größe 105cm wurde von einer Familie Hauschild in Hohenfichte erworben und vor deren Villa aufgestellt. 1942 war die Figur versteckt worden, um sie vor dem Einschmelzen zu bewahren. Die Familie wurde nach dem Weltkrieg enteignet, der Gänsedieb ist 1952 in Augustusburg an der Unteren Schlossstraße wieder aufgestellt worden.

Einen weiteren 105cm großen Abguss hatte Diez 1902 seiner Heimatstadt Pößneck geschenkt. In den 1920er Jahren war dieser Gänsedieb im Diez-Gewölbe des Städtischen Museums Pößneck ausgestellt, seit 1936 steht er in der Bahnhofstraße.

Zwei nur 70cm große Abgüsse, beide gegossen in der Gießerei Bierling, befinden sich im Museum Burg Ranis und im Hof der Städtischen Feuerwehr Dresden.

Nach dem Tod der Witwe von Robert Diez 1935 gelangten einige Kunstwerke aus dem bisherigen Diez´schen Privatbesitz an die Öffentlichkeit, darunter ein weiterer Gänsedieb. Zur gleichen Zeit wurde in einer Parkanlage an der Loschwitzer Grundstraße ein ca. lebensgroßer Gänsedieb aufgestellt, der möglicherweise identisch ist mit dem Exemplar aus Familienbesitz. Dieser Abguss ist seit 1945 verschollen.


Der Gänsedieb im Kunstgussmuseum

Im Kunstgussmuseum befindet sich ein 68cm großes Gipsmodell des Gänsediebes mit zwei Gänsen. (Die Köpfe der beiden Gänse sind verloren). Unterhalb des rechten Fußes befindet sich die Bildhauersignatur „Robert Diez“.

 

Abb. 2: Modell des Gänsediebes im Kunstgussmuseum
(Foto: Tino Winkelmann, 2019)

Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte die Gießerei Lauchhammer das Modell des Gänsediebs nicht angekauft, da die Figur zu keinem Zeitpunkt in den Bildguss-Katalogen angeboten wurde.

In den Lauchhammer Bildguss-Katalogen sind jedoch drei Bronzegüsse genannt, die offenbar als Auftragsarbeiten ausgeführt wurden: 1911 der „Gänsedieb in der Größe wie der Dresdner Brunnen, für eine Ausstellung in Rom“ sowie 1912 ein „Kleiner Gänsedieb, in einem Stück gegossen“ und eine „Statuette Gänsedieb als Zimmerbrunnen“. Das erhaltene Modell war sicherlich die Vorlage für den „Kleinen Gänsedieb“ und die „Statuette Gänsedieb“.

Laut der Beschreibung hatte der 1911 gegossene Gänsedieb eine identische Größe, wie die Figur auf dem Dresdner Brunnen, also über 2 Meter. Alle bekannten späteren Abgüsse sind jedoch nur zwischen 70cm und 1,70 Meter groß. Der 1911 für die Internationale Kunstausstellung in Rom gegossene Gänsedieb muss deshalb als verschollen bezeichnet werden.

Nicola Vösgen