Carl Wilhelm von Diebitsch: Der Gezira – Palast in Kairo

Carl Wilhelm von Diebitsch wurde am 13. Januar 1819 in Liegnitz (Legnica/Polen) geboren. Nach einer abgebrochenen militärischen Ausbildung in Potsdam begann er 1839 an der Berliner Bauakademie sein Studium. Die Lehre gründete auf der Tradition Schinkels. Nach seinem Abschluss reiste er ab 1842 nach Italien, Frankreich, Algerien und Granada in Spanien. Das Studium der dortigen Alhambra war die Initialzündung seiner Begeisterung für die maurische Kultur und Architektur, die er fortan in der europäischen Welt zu etablieren suchte. 1862 ging er nach Kairo und erhielt Aufträge von lokalen Auftraggebern. Diebitsch starb 1869 an der Pest. Er wurde auf dem Englischen Friedhof in Kairo begraben.


 

Der Gezira – Palast

Nach 6-monatigem Aufenthalt und Studium der Alhambra in Granada ließ sich Carl von Diebitsch 1848 als Architekt in Berlin nieder. Er legte für verschiedene wichtige Gebäude in Berlin Entwürfe vor, erhielt erste Aufträge, allerdings in der preußischen Provinz in Neuruppin und Gentzrode.

Diebitsch erstellte mittels einer von ihm entwickelten Methode der Abformung mit feuchtem Papier, der Technik der Frottage, und anhand vieler Zeichnungen seinen persönlichen Modellfundus orientalischer Ornamentik und Baukonstruktionen, auf die er in seinen folgenden Werken zurückgreifen konnte. Diese Sammlung diente der Herstellung von Gipsabgüssen und letztlich auch der Herstellung von Eisengussteilen. Gipsabgüsse waren im 19. Jahrhundert die Grundlage des akademischen Historismus und der Neuinterpretation traditioneller Baustile.

Schon 1857 verwendete Diebitsch im Schweriner Schloss Eisengussteile zur Innendekoration. 1863 wurde der Vizekönig Ismail Pascha durch den Beitrag Diebitsch`s – eine 5 m hohe Vase – auf der Londoner Weltausstellung auf ihn aufmerksam. Ismail Pascha beauftragte ihn mit der Innenausstattung der repräsentativen Räume seines Palastes. Auf eigene Kosten ließ Diebitsch 1867 den „Maurischen Kiosk“ herstellen, den er auf der Pariser Weltausstellung präsentierte. Der Pavillon wurde in Lauchhammer gegossen. Offensichtlich war Diebitsch seiner Zeit voraus und den Interessenten das Werk vermutlich zu teuer, denn er konnte, trotz großer Aufmerksamkeit, keinen Käufer finden. Nach dem Tod Diebitsch`s wurde der Pavillon an Bethel Henry Strousberg verkauft, bis ihn 1876 Ludwig II. von Bayern für Schloss Linderhof kaufte. Dort ist der Pavillon in veränderter Form erhalten.

 

Carl von Diebitsch vor seinem „Maurischen Kiosk“; Foto: Stiftung Kunstgussmuseum Lauchhammer

 

Gemeinsam mit Julius Franz, genannt Franz Pascha, konzipierte er den Palast von Gezira. Beide verband die Begeisterung für die islamische Architektur. Der Palast sollte pünktlich zur Einweihung des Suezkanals fertiggestellt werden und die hohen Gäste beherbergen. Die Bauzeit umfasste 5 Jahre, von 1863 bis 1868. Allein die Säulenhalle im Stil der Alhambra, ganz aus Gusseisen und Teil der monumentalen Anlage, war insgesamt 300m lang und 15 m hoch. Für diesen Bau wurden insgesamt 400 Tonnen Eisen verwendet. Am Palast selbst wurden gusseiserne Portiken angebracht. „Pracht und unglaubliche Verschwendung“ schreibt Kronprinz Friedrich 1869 in sein Reisetagebuch. Auf der Nilinsel Zamelek gelegen, hatte das Gesamtkunstwerk zur Zeit seiner Errichtung eine solitäre Wirkung, mit dem Palast, der Säulenhalle und dem umgebenden Park mit Wasserspielen und exotischen Tieren bot sich hier die Möglichkeit, ein wirklich eindrucksvolles Ensemble zu errichten, welches durch seine Lage am Nil, durch die Nähe zum Wasser, noch deutlich mehr in Szene gesetzt werden konnte, denn die Architekten nutzten auch die Spiegelung auf der Wasseroberfläche, um den ohnehin schon starken Eindruck noch zu vervielfältigen. Der symmetrische Grundriss verstärkte die herrschaftliche Ausstrahlung nochmals.

1863, innerhalb von 8 Tagen, wurden die Bauteile, welche Diebitsch nach seinen Plänen in Lauchhammer gießen ließ, nach Kairo verschifft. Wilhelm Rose, Ingenieur und Leiter der Montagearbeiten im Auftrag der Eisengießerei Lauchhammer, beschäftigte 8 europäische und 20 arabische Arbeiter. Unglücklicherweise kamen viele Teile zerbrochen in Kairo an, sodass man mehr als 3 Monate die Bruchstücke wieder zusammenfügen musste und manches auch nachgeliefert wurde, wenn es nicht zu reparieren lohnte. Die Teile wurden vor Ort durch Haken, Zapfen und Schrauben miteinander verbunden, teilweise kaschiert durch Rosetten.

Rose gibt in einem Brief an seine Eltern einen Preis von 25000 Francs für die Lieferung der Bauteile an.

 

Die Säulenhalle; Foto: Stiftung Kunstgussmuseum Lauchhammer

 

Innenansicht der Säulenhalle; Abb. aus dem Katalog des Lauchhammerwerkes; Stiftung Kunstgussmuseum Lauchhammer

 

Ziel der Neo-Stile des 19. Jahrhunderts war nicht vorrangig das Kopieren, sondern eine Weiterentwicklung mit neuen Bautechnologien. So wurde hier das Eisen als neuer Baustoff genutzt, um auf geringer Fläche große Lasten tragen zu können. Schlankere Säulen und größere Bögen wurden möglich, die Bauhöhen der Vorbilder konnten übertroffen werden. Traditionell wurden die reich verzierten Schmuckelemente an Balkonen und Fenstern, die sogenannten Maschrabiyya, aus Holz gefertigt. In Eisen gegossen, so wie es Diebitsch einführte, bot das Material auch einen Feuerschutz, also eine größere Haltbarkeit.

Carl von Diebitsch, gemeinsam mit dem Hofarchitekten Julius Franz und Franz Schmoranz d.J., der 1868 als Bauzeichner im Architekturbüro Carl von Diebitsch`s in Kairo eingestellt wurde, können als Wegbereiter des maurischen, bzw. orientalischen und byzantinischen Stils in der europäischen Kunst und Architektur ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bezeichnet werden. Schmoranz nahm nach dem Tod Diebitsch`s den Platz des Hofarchitekten ein und konnte auf der Weltausstellung in Paris 1873 mit seinem „Ägyptischen Pavillon“ trotz negativer Kritiken große Aufmerksamkeit erregen.


 

Der Gezira Palast heute

Nach seiner Erstnutzung als Gästehaus des Ismail Pascha wurde das Gebäude als Hotel umgewandelt. Nach zwischenzeitlicher privater Nutzung durch die die libanesische Familie Ludfalla wurde der Palast wieder verstaatlicht. Bei einem großen Brand wurde die gusseiserne Säulenhalle völlig zerstört. Ab 1974 beteiligte sich John Willard Marriott (Gründer der Hotelkette Marriott) am Umbau des Palastes, der wieder in ein Luxushotel umfunktioniert wurde. Heute gehört der Komplex der Hotelkette Marriott. Im Innern sind Teile des ehemaligen Palastes integriert, unter anderem auch die gusseisernen noch erhaltenen Säulen und Bögen am Außenbau. Die ursprüngliche Struktur des Gebäudes wurde verändert, weder die typische maurische Farbfassung ist original erhalten noch andere für die maurische Bauweise charakteristische Merkmale.

Antje Bräuer