Betender Knabe

Auf der Insel Rhodos wurde um 1500 bei dem Bau einer Stadtmauer die bronzene Statue des Betenden Knaben gefunden. Das nur ca. 140cm große Standbild entstand in der Zeit um 300 v. Chr., der Bildhauer ist nicht überliefert. Da es sich um eines der nur selten erhaltenen originalen Bronzeobjekte handelte, zählte die Figur zu den begehrtesten Sammlerobjekten.
Die Statue gelangte 1503 nach Venedig. Sie bildete später den Höhepunkt verschiedener privater Kunstsammlungen in Italien, England, Österreich und Frankreich. Der Preußenkönig Friedrich II kaufte sie 1747 und ließ den Betenden Knaben auf der Terrasse vor Schloss Sanssouci aufstellen. Aus konservatorischen Gründen wurde sie 1786 ins Berliner Stadtschloss überführt. Als Kriegsbeute Napoleons I. stand sie als eines der prominentesten Stücke von 1807 bis 1815 im Musée Napoléon, dem heutigen Louvre in Paris. Nach ihrer Rückkehr nach Berlin bekam der Knabe 1830 einen neuen Aufstellungsort in dem von Schinkel entworfenen Museum in Berlin. Von 1945 bis 1958 befand er sich als Beutekunst-Trophäe in Moskau, seit seiner Rückkehr begrüßt die prominente Statue die Besucher wieder in der Rotunde des Alten Museums.

Abb. 1: Der Betende Knabe im Alten Museum, Berlin

(Foto: xxxx)


Das Modell in Lauchhammer

Im Kunstgussmuseum Lauchhammer befindet sich ein unterlebensgroßes, ca. 130cm hohes Gipsmodell des Betenden Knaben. Das Modell besteht aus vier einzelnen Teilen: der Körper ist in Höhe des Bauchnabels waagerecht unterteilt, die beiden Arme sind einzeln angesetzt. Bei einer solch ausladenden Statue mit ihren hoch erhobenen Armen war der Guss in einem Stück technisch nicht umsetzbar. Das Modell musste deshalb in einzelnen Teilen gegossen und anschließend zusammengesetzt werden.

 

Abb. 2: Das Modell des Betenden Knaben im Kunstgussmuseum Lauchhammer

(Foto: Tino Winkelmann, KGML, 2017)


Abgüsse des Betenden Knaben aus der Gießerei Lauchhammer

Der Betende Knabe gehört zu den ersten in Lauchhammer in Eisenguss ausgeführten Antiken. Bereits 1786, nur kurz nach der erfolgreichen Herstellung der ersten Großplastiken in Eisen, bot die Gießerei die Figur als Aufsatz für Figurenöfen an.

 

Abb. 3: Der Betende Knabe als Ofenbekrönung, Ende 18. Jahrhundert

(Abb. nach: Journal des Luxus und der Moden, Oktober 1786, Tafel XXX)

 

Die Ausführung von je einem Eisenguss ist für die Jahre 1789 und 1804 überliefert. Ein weiterer Abguss war 1816 auf der Berliner Akademieausstellung ausgestellt, auch im Schloss Wörlitz befand sich ein Exemplar in Eisenguss.

Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden Abgüsse des Betenden Knaben, auch in verkleinertem Maßstab angeboten. Im Lauchhammer Bildguss-Katalog von 1938 ist der Betende Knabe in den Größen 35cm, 59cm und 136 cm vertreten.


Zur Deutung des Betenden Knaben

Bei der Auffindung fehlten der Figur beide Arme, diese wurden erst im 17. Jahrhundert fiktiv ergänzt. Die Deutung der Figur veränderte sich dadurch: wurde sie anfangs als „Schöner Knabe“ bewundert, so wurde sie spätestens seit der öffentlichen Präsentation im Louvre als „Betender Knabe“ interpretiert. Laut aktuellen Erkenntnissen scheint jedoch eine weitere Deutung wahrscheinlicher: Die Darstellung von Knaben erfolgt meist in Handlungszusammenhängen, sie treten im statuarischen Kontext nicht als Einzelfigur auf. Die Ausarbeitung der Rückenpartie zeigt allerdings deutlich, dass die fehlenden Arme auf jeden Fall angehoben waren. Deshalb wird vermutet, dass der Knabe im Zusammenhang mit einer Statuengruppe als Dienerfigur zu interpretieren sei, die einer weiteren Person z.B. ein Kriegsgerät oder das Zaumzeug eines Pferdes anreicht.