Karl Begas: Kaiserin Auguste Victoria, Urville


Karl Begas wurde 1845 in Berlin geboren. Er war der jüngste Sohn des Malers Carl Joseph Begas und nannte sich zur Unterscheidung meist Karl (Carl) Begas der Jüngere. Er hatte 3 Brüder, alle waren Künstler, der Bekannteste unter Ihnen, Reinhold Begas war gleichzeitig sein Lehrer. Karl erlernte bei seinem 13 Jahre älteren Bruder in dessen Atelier die Bildhauerei. 1869 bis 1873 bereiste er Italien. Er arbeitete mit Marmor, schuf aus diesem Material Porträtbüsten, Standbilder und Figurengruppen. Später ließ er seine Entwürfe auch in Bronze gießen. Er wurde vom Kaiser mit der Gestaltung und Ausführung von zwei Gruppen für die Siegesallee in Berlin beauftragt. Gemeinsam mit seinem Bruder Reinhold war er einer der bekanntesten Bildhauer der Wilhelminischen Zeit und arbeitete für die Königsfamilie der Hohenzollern. Stilistisch ist er dem Neobarock zuzuordnen. Karl Begas starb 1916 in Köthen.


Standbild der Kaiserin Auguste Victoria

In den Jahren 1904 bis 1906 schuf Begas das Modell des Standbildes der Kaiserin. Die erste Ausführung in Marmor sollte den privaten Rosengarten am Neuen Palais in Sanssouci schmücken. Der Rundsockel existiert noch. Auguste Victoria ist in der Mode der Zeit dargestellt. Besonders bemerkenswert ist die zierliche Ausführung des Spitzenbesatzes ihrer Garderobe, des Schmuckes und des Faltenwurfes, die so naturalistische Ausführung des über den linken Arm fließenden Seidenschals und aller weiteren Details: eine handwerkliche Meisterleistung auf höchstem Niveau. Die Kaiserin trägt ein Sommerkleid, in der rechten Hand hält sie einen Rosenzweig, in der linken einen geschlossenen Fächer. Ein großer Hut mit Straußenfeder bildet den Kopfschmuck. Die Statue ist ohne Sockel 2,20 Meter hoch.

Statue der Kaiserin im Tiergarten; historische Postkarte von 1911, Stiftung Kunstgussmuseum Lauchhammer, Archiv

Das Marmorstandbild wurde später im Antikentempel, in dem die Kaiserin 1921 ihre letzte Ruhestätte fand, aufgestellt.1989/90 brachte man die Figur als Dauerleihgabe in den Kutschstall nach Potsdam.

Eine zweite Marmorausführung, von 1909 bis 1911 geschaffen, wurde 1912 im Rosengarten im Tiergarten Berlin aufgestellt. 1936 versetzte man das Standbild. Es wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt und 1950 gemeinsam mit anderen Figuren der Siegesallee vergraben. 1979 barg man diese Figuren wieder. Das Kaiserinnenstandbild wurde restauriert, jedoch der abgebrochene Kopf wurde falsch aufgesetzt. Es wurde im Lapidarium am Landwehrkanal aufgestellt. Nach einer zweiten Restaurierung von 1999 bis 2000 steht die letzte deutsche Kaiserin nun im Auguste-Victoria-Klinikum (Vivantes) im Foyer Haus 1, welches 1906 eingeweiht wurde und seitdem ihren Namen trägt.

Die Bronzefassung hat eine nicht weniger bewegte Geschichte. Sie wurde 1905 in Lauchhammer gegossen, war etwa 2 Meter hoch und 400 kg schwer. Es war nicht das erste Werk aus dem Atelier von Karl Begas, welches in Lauchhammer gegossen wurde. Diese Version entspricht genau den ersten Fassungen in Marmor, sodass man annehmen darf, dass das Modell für den Guss von einer der Marmorskulpturen abgenommen worden ist oder das ursprüngliche Modell noch existierte.

1889 besuchte die Kaiserin die Stadt Metz, wo sie von der deutschen Bevölkerung mit Begeisterung empfangen wurde, von der französischen Bevölkerung allerdings mit gemischten Gefühlen. Zwischen 1871 und 1918 gehörte die Gegend um Metz (Elsass-Lothringen) zum Deutschen Reich. Im Jahr 1893 kaufte Kaiser Wilhelm II., Auguste Victorias Gemahl, das Schloss Urville (Urweiler), als Feriendomizil für die kaiserliche Familie. So kam diese Bronzefigur zur Aufstellung in den Park des Schlosses Urville, wo sie zwischen hohen Bäumen in einem Rondell ihren Platz fand. Auch hier existiert noch der etwa einen Meter hohe Sockel aus grauem Granit. In dieser natürlichen Umgebung schien die Kaiserin gerade auf einem Spaziergang zu sein, kurz innehaltend und den Blick in die Ferne gerichtet.

Kaiserin Auguste Victoria; Historische Postkarte von 1907, Stiftung Kunstgussmuseum Lauchhammer, Archiv


Illustrierte Zeitung Nr.3271 vom 8.März 1906; Foto: Eugen Jacoby, 1906

Später gelangte die Statue in die Sammlung des Louvre, von wo sie in den 1980er Jahren nach Marl kam. Hier fand sie viele Jahre ihren Platz am Eingang der Zeche Auguste-Victoria, welche 1899 geteuft wurde und deren Namensgeberin die Kaiserin war. Nach der Schließung der Steinkohlezeche fand die bronzene Auguste Victoria 2016 ihren Platz in der Hülsstraße der Stadt Marl und richtet nun ihren Blick auf die ehemalige Schachtanlage.


Auguste Victoria

Auguste Victoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg wurde 1858 in der Niederlausitz auf dem Rittergut Dolzig (Dluzek) geboren. 1881, mit 23 Jahren, heiratete sie den preußischen Prinzen und späteren Kaiser Wilhelm II. Aus der Ehe gingen 7 Kinder hervor. Auguste Victoria war als Landesmutter sehr beliebt. Sie engagierte sich für Kirchenneubauten, caritative Einrichtungen, soziale Belange, für die Bildung von Mädchen und Frauen. Dennoch war sie auch aufgrund ihrer sehr religiösen Einstellung eher rückwärtsgewandt und eine absolute Vertreterin der Monarchie. Es traf sie schwer, als der Kaiser 1918 abdanken musste. Das Königspaar ging in die Niederlande ins Exil und hielt sich ab 1920 im Haus Doorn in der Nähe von Utrecht auf. Auguste Victoria, letzte deutsche Kaiserin und Königin von Preußen starb dort im Jahre 1921. Ihr Leichnam wurde ihrem Wunsch entsprechend nach Berlin überführt und fand seine Ruhestätte im Antikentempel in Potsdam Sanssouci.


Antje Bräuer