Nicola Vösgen

Athena Velletri

Die Göttin Athena, eine Tochter des Zeus und der Metis, zählt in der griechischen Mythologie zu den zwölf olympischen Gottheiten. Sie ist die Göttin der Weisheit, des Kampfes und der Kunst sowie Schutzgöttin und Namensgeberin der griechischen Stadt Athen. Ihr bedeutendstes Heiligtum war der Parthenon auf der Akropolis in Athen. In der römischen Mythologie ist ihre Entsprechung die Göttin Minerva.

Im antiken Griechenland sind zahlreiche, sehr unterschiedliche Statuen der Athena geschaffen worden, die die Göttin in verschiedenen mythologischen Situationen darstellen. Die griechischen Originale sind über die Jahrhunderte alle verloren gegangen. Das Aussehen vieler der in der Antike berühmten Statuen ist jedoch durch in römischer Zeit entstandene Kopien überliefert. Zudem haben die antiken Autoren die Statuen, die in Heiligtümer und anderen prominenten Orten aufgestellt waren teilweise ausführlich beschrieben. Anhand der Gestaltung der einzelnen Statue und ihrer Attribute sowie dem Abgleich mit den literarischen Überlieferungen kann man in manchen Fällen den Standort oder auch den Bildhauer der originalen Statue bestimmen.


Die Statue der Athena Velletri

Namensgebend für den Typus der Athena Velletri ist eine weit überlebensgroße, mehr als 3m hohe Athena-Statue, die Ende des 18. Jahrhunderts in den Ruinen einer römischen Villa nahe der Ortschaft Velletri, südöstlich von Rom, gefunden wurde. Es handelt sich um eine Marmorkopie des 1. Jh. n.Chr. nach einer um 430/420 v.Chr. entstandenen Kultstatue der Athena. Schöpfer dieses Werkes war vermutlich der kretische Bildhauer Kresilas, der im späten 5. Jahrhundert v.Chr. auf der Akropolis in Athen tätig war. Die Statue wurde zuerst nach Rom, später nach Neapel verbracht. Seit 1803 befindet sie sich im Louvre in Paris, wo sie bis heute zu bewundern ist.

 

 

Abb. 1: Athena Velletri im Louvre
(Foto: Hans-Peter Klut / Elke Estel, SKD, ASN 2514)

Dargestellt ist die aufrecht stehende, weibliche Göttin, die mit einem Mantel und Chiton bekleidet ist. Sie trägt einen korinthischen Helm und ein Brustschild mit Schlangen, eine sog. Aegis, in deren Mitte sich ein Gorgonenhaupt befindet. In dem erhobenen rechten Arm hielt sie einen Speer, in der vorgestreckten linken Hand trug sie einen Gegenstand, vermutlich eine Opferschale.


In der Glypthothek in München befindet sich eine Teilkopie der Statue der Athena Velletri aus römischer Zeit: ein ebenfalls kolossaler, 114cm großer Marmorkopf, der um 1770 in dem südöstlich von Rom gelegenen Ort Tusculum aufgefunden wurde. Das Albertinum in Dresden besitzt seit dem 18. Jahrhundert eine Gips-Kopie der Münchner Athena.

Abb. 2: Gipskopie der Athena Velletri in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden
(Foto: Hans-Peter Klut / Elke Estel, SKD, ASN 2514)


Die Athena Velletri im Kunstgussmuseum

Bei dem 84cm großen Gipsmodell im Kunstgussmuseum handelt es sich um eine Kopie des Dresdener (und somit auch des Münchner) Athena-Kopfes. Es sind allerdings nur der Kopf und Halsansatz kopiert worden, der Oberkörper und der Gewandansatz wurden weggelassen.

Abb. 3: Gipsmodell der Athena Velletri im Kunstgussmuseum Lauchhammer
(Foto: Tino Winkelmann, KGML, 2017)

 

Der Gießerei-Oberfactor Johann Friedrich Trautschold erwähnt in einem 1825 erstellten Verzeichnis der Gießerei-Erzeugnisse mehrfach Eisengüsse von Minerva/=Athena-Büsten: für das Jahr 1785 die Ausführung von „2 Büsten, Minerva“, für die Jahre 1794 und 1797 jeweils „1 Büste, Minerva“ und für 1807 „2 Büsten, Homer und Minerva“. Es ist nicht überliefert, wer die Abnehmer für diese insgesamt fünf Abgüsse im 18. und frühen 19. Jahrhundert waren.

In einem Preis-Courant des Einsiedelschen Eisenwerks von 1830/40 wird unter den antiken Büsten die Minerva in zwei Größen, 2 Fuß und 18 Zoll, angeboten, was nach heutigem Maß ungefähr 60 und 36cm entsprechen würde. Noch in den Bildguss-Katalogen des 20. Jahrhunderts ist unter den wenigen Abgüssen nach antiken Vorbildern die Minerva zu finden, so beispielsweise in dem Katalog von 1933 in der Größe 18cm. Erhaltene Abgüsse in Eisen oder Bronze sind nicht bekannt.