Ernst Rietschel:  Goethe-Schiller Denkmal

Ernst Rietschel wurde am 15. Dezember 1804 in Pulsnitz als Sohn eines armen Handschuhmachers geboren. 1820 begann er an der Kunstakademie Dresden sein Studium. Im Auftrag der Gräflich Einsiedelschen Eisenwerke Lauchhammer entstand seine erste eigene Arbeit: der Neptun für den Marktbrunnen in Nordhausen. Durch die Unterstützung des Grafen von Einsiedel, Minister am sächsischen Hof und Eigentümer der Kunstgießerei Lauchhammer, kam er 1826 in das Atelier Christian Daniel Rauchs in Berlin. (Einsiedel wollte ihn als Modelleur für seine Gießerei ausbilden.)  1830 unternahm Rietschel eine Studienreise nach Rom. 1832 heiratete er Albertine Trautscholdt, die Tochter des Oberfaktors der Gräflich Einsiedelschen Eisenwerke. Albertine verstarb früh.

Mit 28 Jahren erhielt er die Professur für Bildhauerei an der Kunstakademie Dresden und arbeitete seitdem in seinem Atelier auf der Brühlschen Terasse. Er war Mitglied der Berliner Akademie der Künste und Ehrenmitglied der Kunstakademie Wien und der Stockholmer Akademie. Am 21. Februar 1861 verstarb Rietschel. Er wurde auf dem Trinitatisfriedhof in Dresden beerdigt.

Rietschel ist einer der wichtigsten Bildhauer des 19. Jahrhunderts. Er ist Vertreter des Spätklassizismus. Zusammen mit Ernst Hähnel begründete er die Dresdner Bildhauerschule.


 

Das Goethe-Schiller Denkmal

Zweimal konnte Rietschel Goethe in Weimar persönlich treffen, einmal davon gemeinsam mit seinem Lehrer Christian Daniel Rauch. Anlass zur Gestaltung eines Denkmals für die beiden Dichtergrößen war der 100. Geburtstag Goethes. Ursprünglich war Christian Daniel Rauch beauftragt und machte 1849 die ersten Entwürfe. Die Finanzierung kam von Ludwig von Bayern, der auch die Ausführung in der Königlichen Eisengießerei in München festlegte. Rauch wollte diese und andere Bedingungen des Königs nicht akzeptieren und übertrug den Auftrag an Rietschel, der auf Empfehlung von Rauch annahm. Es wurde ein Honorar von 5500 Talern ausgehandelt, bis Ende 1854 sollte er liefern.

Zeichnungen und Modellentwürfe entstanden, bis 1856 das Gussmodell fertig war und 1857 bei Ferdinand von Miller in München gegossen wurde. Noch im gleichen Jahr, am 4. September, wurde das Denkmal in Weimar enthüllt. Die Inschrifttafel am Sockel wurde im Gräflich Einsiedelschen Eisenwerk in Lauchhammer gegossen. Rietschel arbeitete insgesamt etwa 5 Jahre an dem Doppelstandbild.

Rietschel modelliert beide Dichter gleich groß, obwohl Schiller viel größer war. Beide sind in moderner Bekleidung dargestellt und nicht, wie zu dieser Zeit noch üblich, in griechischem Gewand. Goethe und Schiller fassen einen Lorbeerkranz, wobei Goethe ruhig und selbstbewusst geradeaus schaut, dagegen Schiller seinen Kopf wendet und herausfordernd, den Kopf etwas erhoben, in die Ferne blickt. Die linke Hand Schillers hält eine Schriftrolle, die linke Hand Goethes ruht auf der Schulter Schillers. Stand- und Spielbein sind bei beiden Figuren gleich. Beide lehnen sich an einen Eichenstumpf, einerseits ein allegorisches Symbol, andererseits auch ein technisches Hilfsmittel zur statischen Stabilisierung der Figurengruppe. Rietschels Intention war, Goethe und Schiller sowohl in ihrer Ebenbürtigkeit wie auch in Ihrer geistigen Unabhängigkeit voneinander darzustellen.

Das Denkmal erlangte große Popularität. Viele Verkleinerungen und Teilabgüsse wurden hergestellt. Das originale Gussmodell wurde im Modellmuseum der Königlichen Erzgießerei München gelagert und ist 1944/45 gemeinsam mit dem Museum durch Bomben zerstört worden.

Zwischen 1862 und 1868 wurde in München für das Rietschel-Museum in Dresden ein Gipsabguss vom Gussmodell gemacht. Vermutlich wurde dieses Modell die Grundlage für die folgenden Güsse in der Kunstgießerei in Lauchhammer, die in San Francisco, Cleveland und Milwaukee ihre Aufstellung fanden.

 

Abbildung im Katalog „Lauchhammer-Bildguss“; Stiftung Kunstgussmuseum, Archiv

Die größte Einwanderungsgruppe in die USA im 19. Jahrhundert waren die Deutschen. Sie nahmen ihre Kultur mit nach Amerika, gründeten Vereine, Verlage und Firmen. Das populäre Denkmal der deutschen Dichterfürsten konnte die deutsche Kultur in Amerika bekannt machen und verbreiten. Gleichzeitig war es für die Deutschen eine Stärkung ihrer Identität in der neuen Heimat. 1895 gründete sich in Kalifornien die Goethe- Schiller Gesellschaft. Nach der Weltausstellung in Chicago entstand die Idee, ein Denkmal aufzustellen. Man beauftragte eine Abformung und einen Guss in der Aktiengesellschaft Lauchhammer unter Rudolf Siemering. 1899 wurde das Doppelstandbild geliefert und nach Herstellung des Sockels am 11. August 1901 im Golden Gate Park enthüllt. 1905 entstanden in Cleveland Pläne, eine ebensolche Plastik zu errichten. Ein neuer Stadtteil sollte angelegt werden, hier sollte das Denkmal einen würdigen Platz finden. Der fertige Guss mit Lieferung bis Hamburg wurde von der Lauchhammer AG mit 10900 Mark veranschlagt. 1906 wurde in Lauchhammer gegossen und 1907 wurde das Monument im Wade-Park enthüllt. Der Sockel ist eine Replik des Weimarer Sockels. Auf der linken Schmalseite befindet sich ein Zitat aus „Faust II“, auf der Seite Schillers ist ein Zitat aus „Wilhelm Tell“ in den Stein geschnitten.

Auch in Milwaukee wollte man ein Goethe-Schiller-Denkmal errichten. Die Stadt hatte einen besonders hohen Anteil an deutschen Einwanderern. Hier gründete sich die Goethe-Schiller-Denkmalsgesellschaft, die den Guss ebenfalls bei der Lauchhammer AG in Auftrag gab. 35000 Besucher waren anwesend, als das Denkmal am 14. Juni 1908 im Washington-Park eingeweiht wurde. 1960 wurde es innerhalb des Parks noch einmal versetzt. Die Denkmalsanlage umfasst mittig das Monument auf einem Sockel ähnlich dem Weimarer Sockel, an ihn ist zu beiden Seiten eine Denkmalsbank angefügt. Eine Bronzetafel am Sockel und zwei weitere links und rechts an der Anlage mit Zitaten der Dichter ergeben insgesamt ein eindrucksvolles Ensemble.

Alle drei Ausführungen in Amerika entsprechen den Abbildungen im „Bildguss-Katalog“ der Lauchhammer AG, die mit dem Doppelstandbild wirbt. Die Lauchhammeraner Ausführung hat eine wesentlich stärkere Plinte, als das Original in Weimar. Ihre Form entspricht dem obersten Abschnitt des Sockels in Weimar. Sie trägt an der Vorderseite direkt unter den Figuren die vertieft angebrachten Namen der Dichter, die Version in San Francisco trägt keine Inschrift in der Plinte. Für die Nachgüsse mussten jeweils die Genehmigungen der Erben Rietschels eingeholt werden.

 

Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar (Foto: privat)

 

Goethe-Schiller-Denkmal in Milwaukee (Foto: privat)

 


 

Johann Wolfgang von Goethe (geb.1749 in Frankfurt, gest. 1832 in Weimar)

Friedrich Schiller (geb. 1759 in Marbach, gest. 1805 in Weimar)

Goethe wuchs in einer wohlhabenden Familie auf, erhielt Privatunterricht in Sprachen, den Künsten und Naturwissenschaften, Fechten und Reiten und er studierte. 1775 ging Goethe nach Weimar an den Hof Carl Augusts von Sachsen-Weimar-Eisenach, wurde Minister, Geheimrat und Freund des Herzogs. Goethe war Vertreter des „Sturm und Drang“ und des beginnenden Klassizismus.

Schiller schlägt zunächst gezwungenermaßen eine militärische Laufbahn in seiner Heimat ein, was ihn aber quält und in seinem Freigeist einengt. Die Literatur ist seine Triebfeder und sein Fluchtpunkt. Trotz Krankheit und Schulden bildet er sich autodidaktisch weiter und veröffentlicht. 1787 kommt Schiller nach Weimar und lernt dort Goethe kennen.

Die Freundschaft der beiden war sehr produktiv. Gegenseitiges Verständnis, Inspiration und gemeinsame Projekte versprühten einen neuen Geist in der Literaturgeschichte.  

 

Literatur: Monika von Wilmowsky, Ernst Rietschel als Bildhauer, Letter Stiftung, Köln 2017

Antje Bräuer