Johannes Schilling; Kaiser-Wilhelm I.- Denkmal, Hamburg


Johannes Schilling wurde 1828 in Mittweida geboren. Er wuchs in Dresden auf und besuchte bereits im Alter von 14 Jahren die Kunstakademie Dresden. 1845, nach Beendigung des Studiums, wurde Schilling Meisterschüler bei Ernst Rietschel und arbeitete fünf Jahre in dessen Atelier auf der Brühlschen Terrasse. Weitere Studien führten ihn nach Berlin zu Christian Daniel Rauch und Johann Friedrich Drake und zurück nach Dresden zu Ernst Julius Hähnel. Eine Reise nach Rom folgte. Nach seiner Rückkehr aus Italien gründete er in Dresden sein eigenes Atelier.1868 wurde Schilling Professor an der Kunstakademie Dresden. Johannes Schilling starb 1910 in Dresden-Klotzsche, er ist in der Familiengruft in Meißen-Zscheila beerdigt. Das Museum „Alte Pfarrhäuser“ in Mittweida beherbergt einen großen Teil des künstlerischen Nachlasses im Johannes-Schilling-Haus.


Das Kaiser- Wilhelm I.- Denkmal

Am 20. Juni 1903 wurde die Reiterstatue und die sie umgebende aufwändige Gesamtanlage des Denkmals für Kaiser Wilhelm I. auf dem Rathausplatz in Hamburg eingeweiht. Der Entwurf ist auf einen Plan für das Berliner Nationaldenkmal von 1889 zurückzuführen. Martin Haller, Baumeister des Rathauses, setzte sich für den Entwurf von Schilling ein. Die Kosten betrugen mehr als eine halbe Million Mark. Johannes Schilling schuf das Denkmal etwa von 1898 bis 1903. Die Anlage hatte eine Fläche von 80m x 30m. Auf einem Plateau, das über mehrere Stufen zu erreichen war, eröffnete sich eine Fläche, in deren Mitte sich das Reiterstandbild des Kaisers befand.

 

Das Reiterstandbild für Kaiser Wilhelm; historische Postkarte um 1916, Stiftung Kunstgussmuseum Lauchhammer, Archiv

Die Bronzeplastik ist 5,50 Meter hoch. Der Sockel ist mit bronzenen Postamentreliefs versehen und aus poliertem, rotem, schwedischem Granit gefertigt, war 6 Meter hoch. Er hatte einen rechteckigen Grundriss. Die Reliefs an den Längsseiten zeigten die „Einigung von Nord und Süd“ und die „Handelsmarine“ mit Figuren im Hochrelief. An der Stirnseite waren Kaiserkrone, Reichsschild und Reichsschwert, Lorbeer und Palme angebracht, die Rückseite trug eine Platte mit der Jahreszahl der Einweihung des Denkmals in einem Kranz. Der Kaiser sitzt auf einem ruhig schreitenden Pferd, sein Blick war zum Rathaus gerichtet. Er ist in einfacher Uniform modelliert. Nicht das Kriegswesen von Preußen, sondern die gesellschaftlichen Neuerungen im Bereich des Rechts, der Wirtschaft und des Sozialwesens im Deutschen Reich sollten hervorgehoben werden.

 

Das Reiterstandbild für Kaiser Wilhelm; historische Postkarte um 1916, Stiftung Kunstgussmuseum Lauchhammer, Archiv

 

Um das Standbild herum standen Steinbalustraden in der Form von zwei Viertelkreissegmenten mit Bänken. Sie waren mit jeweils einem großen und zwei kleineren Reliefs verziert. Ein Relief zeigt den Einzug der Truppen in Hamburg von 1871 und eins die Kaiserproklamation in Versailles. Die kleineren Reliefs zeigten Viktoriendarstellungen. Die Bänke wurden von acht bronzenen Greifen gegliedert. An den beiden Enden der Balustraden ragten bronzene Feuerschalen in Vasenform auf. Zwei Flaggenmasten und zwei Lichtmasten mit elektrischen Bogenlampen, sowie vier allegorische Figurengruppen, jede etwa 2,50 Meter hoch, schlossen die Gestaltung ab. Zwei weitere Lichtmasten befanden sich in der Mitte der Anlage, die auch als Festplatz dienen sollte. Weiterhin waren vier Figurengruppen aufgestellt. Sie zeigen „Rechtsordnung“, „Sozialgesetzgebung“, „Münzwesen“ und „Kommunikation“. Im Katalog der Gießerei Lauchhammer bezeichnet man sie so: „Einheitliches Recht“, „Arbeitergesetzgebung“, „Einheitliche Maße und Münzen“ und „Weltverkehr“. Die Kolossalgruppen werden nicht nur Schilling zugeschrieben, sondern auch Karl Garbers und Ernst Barlach. Die Sockel der Masten sind reich verziert mit Ornamenten und Figurenreigen. Der westliche Fahnenmast trägt Motive zum Thema Krieg, Frieden und Genius des Reiches, der östliche Mast zum Thema Hamburg und Handel.

 

Der Sockel eines vor dem Hamburger Rathaus verbliebenen Flaggenmasten; Foto: Stiftung Kunstgussmuseum Lauchhammer, Archiv

 

Während den Novemberrevolutionen von 1918 und 1922 wurde das Denkmal beschädigt. 1930 verlegte man es nach Planten un Blomen, da der Rathausplatz wiederum umgestaltet werden sollte und die Darstellung des Kaisers nicht mehr den demokratischen Ansichten der Weimarer Republik entsprach. Die zwei Flaggenmasten blieben auf dem Rathausplatz, dagegen das Reiterstandbild, die allegorischen Figurengruppen und zwei Lichtmasten wurden vor dem Ziviljustizgebäude aufgestellt. Die nicht mehr benötigten Teile, wie Reliefs und Feuerschalen, sind verschollen. Im Zweiten Weltkrieg erneut beschädigt, wurde das Reiterstandbild 1961 wiederum umgestellt und erhielt einen Betonsockel. Die allegorischen Figurengruppen wurden nach mehrmaligen weiteren Verlegungen im Jahre 1997 endlich wieder um das Reiterstandbild in den Wallanlagen angeordnet. Ein Lichtmast und die Sockelreliefs sind noch im Hamburger Stadtbild an anderer Stelle erhalten worden.

 

Das Reiterstandbild des Kaisers heute; Foto: Stiftung Kunstgussmuseum Lauchhammer, Archiv


Antje Bräuer