Nicola Vösgen

Antiken: Blinder Homer


Der historische Homer

Homer gilt als der erste Dichter des Abendlandes. Er lebte wahrscheinlich gegen Ende des 7. Jahrhunderts v.Chr.im ionischen Kleinasien. Geboren wurde er vor der Küste Kleinasiens, möglicherweise auf den Insel Smyrna oder Chios, gestorben ist er wohl auf der Insel Íos im Ägäischen Meer. Schon im Altertum war über seine Person wenig bekannt, und es rankten sich zahlreiche Legenden um seine Person. Lange Zeit wurde bezweifelt, ob es sich bei Homer überhaupt um eine historische Persönlichkeit handele, diese Einschätzung scheint jedoch aus heutiger Sicht unbegründet.

Homer werden zwei der frühesten Epen der abendländischen Literatur zugeschrieben: die Ilias und die Odyssee, den ersten großen Schriftzeugnissen der griechischen Geschichte. Bereits in der Antike galt Homer als der Dichter schlechthin, seine Werke waren in der griechischen wie auch der römischen Welt Schullektüre. In einigen Städten wurde der berühmte Dichter sogar kultisch verehrt. So entstand der Wunsch ihn auch bildnerisch darzustellen. Da sein Aussehen nicht überliefert war, sind in der Mitte des 5. Jahrhunderts v.Chr. Homer-Portraits „erfunden“ worden. Besonders häufig zeigten die antiken Darstellungen den Dichter als blinden Greis.

In Europa wurde das Homer-Bildnis erst in der Renaissance wiederentdeckt. Die Bedeutung Homers, der seit der Antike als Verkörperung der Literatur und der Grundlage aller Bildung galt, machten sein Portrait zum geeigneten Schmuck für Bibliotheken des aufgeklärten Adels und gebildeten Bürgertums.


Das Modell im Kunstgussmuseum

 

Im Kunstgussmuseum befindet sich das 21,5cm große Gipsmodell der Büste des sog. „Blinden Homer“.



Abb. 1: Gipsmodell des „Blinden Homer“ im Kunstgussmuseum
(Foto: Tino Winkelmann, KGML, 2018)


Homerbüsten gehörten zu den frühesten in Lauchhammer gegossenen Antikennachbildungen. Bereits in der 1825 von Johann Friedrich Trautschold verfassten Liste der Kunstgusswaren der Gießerei sind für die Jahre 1796 und 1807 Abgüsse von Homerbüsten erwähnt. Auch in dem ältesten erhaltenen Preis-Courant der Gießerei von ca. 1845 ist unter den antiken Büsten ein Homer genannt.

In den Katalogen Lauchhammer Bildgusses von 1927, 1933 und 1938 wird die Homerbüste in den Größen 13cm und 20cm angeboten. Auch in dem Katalog des VEB Schwermaschinenbau Lauchhammerwerk von 1955 ist die Homerbüste zu finden, hier allerdings nur noch in der Größe 12cm.



Abb. 2: Der Blinde Homer im Lauchhammer-Bildguss-Katalog 1927
(Foto: Lauchhammer Bildguss 1927, Gs3, S. 102)

 


Das antike Vorbild

Das Gipsmodell im Kunstgussmuseum entspricht dem hellenistischen Porträttypus des Homer, dem sog. Blinden Typus aus dem 2. Jahrhundert v.Chr. der in zahlreichen römischen Kopien des 2. Jahrhunderts n.Chr. überliefert ist. Um 1800 war vermutlich die Homer-Büste am bekanntesten, die sich ursprünglich in der Sammlung Farnese in Rom und seit 1773 im Archäologischen Nationalmuseum in Neapel befindet.



Abb. 3: Homer Büste im Museum Neapel, Foto um 1890
(Foto: A.D. White Architectural Photographs, Cornell University Library)

Nicola Vösgen